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Wie kam es zum Namen „Schneeläufer“?

Es geschah Ende der 80er oder Anfang der 90er Jahre im letzten Jahrhundert, dass ein junger Mann, infolge erhöhten Alkoholkonsums, des nachts, bekleidet nur mit Unterhosen und Socken, seine Toilettentür mit der Wohnungstür verwechselte.

Da stand er nun, wurde vermutlich durch die Kühle im Treppenaufgang munter und sich der Situation bewusst.

Seine eigene Wohnungstür war verschlossen und er stand mitten in einer Winternacht halbnackt noch leicht alkoholisiert vor seiner Wohnung.

Was war passiert – zuerst wirkte es wie ein böser Traum. Nachdem er aber den Hinterhof erkundete und seine eigenen Fußspuren im frischen Schnee fand, wurde klar, dass er nach durchzechter Nacht, unvernünftiger Weise mit dem eigenen PKW, aber doch ohne große Schwierigkeiten, nachhause gekommen war. Sein Wagen war ordentlich geparkt und er hatte sich, wie sich später dann auch herausstellte,  noch bestens und bei Sinnen, entkleidet, in seinem Bett eingefunden.

Beim Kontrollgang auf dem Hinterhof hatte er das erste mal mit den eisigen Temperaturen von fast 10 Grad unter Null Bekanntschaft gemacht, auch der Schnee kühlte die, nur durch dünne Socken bedeckten Füße, deutlich - nicht zu sprechen vom nackten Oberkörper.

Ein im Hof gefundener Spaten sollte den Weg ins traute Heim bahnen. Der Lärm, beim Versuch die massive Wohnungstür aufzubrechen, stoppte schnell den unpassenden Versuch. Würden doch schnellstens alle Nachbarn im Treppenhaus erscheinen, wodurch der bisher gute Ruf bei den meist netten älteren Leuten sicher vertan wäre.

Welche weitere Lösung bot sich an? Die eigenen Eltern hatten einen Ersatzschlüssel zur Wohnung des Sohnes, wohnten aber mehrere Kilometer entfernt in einem anderen Stadtbezirk Berlins und waren obendrein noch im Urlaub. Und - wie hätte man das ganze erklären sollen?

Aber - es blieb nichts anderes übrig – dieser Schlüssel war der Schlüssel zur Auflösung des Ganzen. Die wiederum an anderer Stelle wohnende Großmutter hatte ihrerseits einen Schlüssel zum Haus der Eltern und sie war zuhause, wenn auch sicher fest schlafend.

Ohne weitere Abwägung der Umstände - denn soweit war das noch benebelte Bewusstsein wohl doch noch nicht im Stande, lief der Mann nun los – nackt bis auf die Unterhose und fast barfuß bis auf die Socken.
Zuerst lief er langsam. Doch er merkte schnell, dass man bei diesen tiefen Temperaturen nur mit einer Unterhose und Socken bekleidet innerhalb kürzester Zeit auskühlte, und überhaupt – etwas vollkommen verrücktes machte.

Aber der großgewachsene sportliche junge Mann rannte schneller über die frische Schneeschicht von wenigen Zentimetern mitten in der Nacht durch Berlin. Der in diesem Winter in Berlin schon häufig gestreute Schottersplit war durch den Schnee in mehreren Schichten zu spüren, aber das Hauptproblem war  - die bittere Kälte.

Es herrschte wenig Verkehr auf Berlins Straßen in der von Sonnabend zu Sonntag, so dass vermutlich kaum jemand Anstoß an dem unüblichen „Jogger“ nahm.
Nach den ersten zwei Kilometern war die Kälte kaum auszuhalten, uns so kam es doch zu einem Kontakt mit Mitbürgern.

Damals existierten noch öffentliche backsteinerne solide kleine Toilettenhäuschen, ohne weitere Zugangsbeschränkung und – mit einer Heizung versehen.
Am „Insulaner“ war eines davon  - und kaum gesichtet, war der junge Mann auch ordentlich im „Herren“-Eingang eingetreten.
Große Augen, Angst, Geschrei, als so plötzlich ein großer, breiter und – unbekleideter Hühne mitten in der Nacht das Quartier mehrerer Obdachlose erstürmte.
Gleichermaßen überrascht zog er sich zurück. Aber die schnell erkannte Wärme in dem Gebäude war zu anziehend und so wurde der „Damen“-Eingang auch versucht. Glücklicherweise gab es dort keine nächtlichen Bewohner, so dass er sich an gußeisernen Heizkörpern aufwärmen konnte – das traumatische Geschrei aus den andersgeschlechtlichen Räumlichkeiten war noch zu hören.

Nach 5 Minuten Aufwärmphase ging es weiter – bei inzwischen voller Nüchternheit entstand die hohe Motivation, die missliche Lage schnell zu beenden. Mit einem weiteren Zwischenstopp in einem gewärmten, glücklicherweise unverschlossenem Hausflur in der Halskestrasse wurde das Mietshaus erreicht, in dem die Großmutter wohnte. Es muss wohl ungefähr zwei oder drei Uhr gewesen sein, als diese wach geklingelt wurde.

Die Strategie war klar. Schnelle Forderungen, die eine Oma ihrem Enkel nicht verwehren konnte, in der Hoffnung, dass diese verschlafen nicht über viel nachdenken konnte.

Großmutter: Hallo Enkel, äh , was machst Du ...
Mann: Hallo Oma
Eine normale Begrüßung als wäre es der Sonntagsnachmittags Kaffee- und Kuchen Besuch.

Mann: Ich weiß, es ist spät, bitte frage nicht, aber bitte gib mir den Hausschlüssel von der Eltern, und Geld für ein Taxi. Darf ich dein Telefon kurz benutzen!?

Großmutter: Äh ...

Mann: 20 Mark reichen!

Der Anruf bei der Telefonzentrale verlief unproblematisch, ein Wagen wurde geschickt.
Der junge Mann griff sich noch eine Wolldecke vom Sofa der Großmutter, nahm ihr den Geldschein und die Schlüssel aus der Hand und bekundete, dass alles in Ordnung wäre. Er wolle sich am nächsten Tag mal melden und genaueres erklären.

Dazu kam es nie. Die Oma fragte nie nach.  Ob sie das ganze am nächsten Morgen nur als bösen Traum interpretiert hatte? Irgendwann wurde die Decke zurückgegeben, aber sie dankte nur und dachte sich vielleicht ihren Teil über die Eskapaden der Jugend.

Da stand er nun wieder - in Socken und Boxershorts, nun aber mit Wolldecke um die Schultern, bei leichter Schneedecke und eisigen Temperaturen im gutbürgerlichen Bezirk Steglitz in Berlin. Kein gewöhnlicher Fahrgast, den der Taxifahrer mit dem schlichten Satz quittiert:

Taxifahrer: „Ett iss kalt heute Nacht, oder?“

Mann: Ja!

Uns so ging die Geschichte dann ohne weitere Pointe zu Ende. Das Taxi brachte den jungen Mann zum Haus seiner Eltern, wo er sich schnell den Ersatzschlüssel zu seiner Wohnung beschaffen konnte. Danach fuhr ihn das Taxi nach Hause.

Das Bett war benutzt, aber kaum durchwühlt. Der junge Mann hatte sich am vorherigen Abend normal entkleidet, war in sein warmes Bett gestiegen und schnell tief eingeschlafen – die eine Kuhle im Kissen zeugte von der Ruhe des Schlafes. Doch dann musste er auf Toilette ...

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Der Schneeläufer war nicht stolz auf das Erlebte, aber die Geschichte war doch erzählenswert, so dass guten Freunden berichtet wurde.

Als ich vor kurzem von einer Geschichte über Bekannte erfuhr, wie es jemand ergangen war, der sich selber mitten im Winter aus seiner Wohnung ausgeschlossen hatte, sich aber durch einen Lauf zu einer Großmutter letztendlich aus der unangenehmen Lage befreit hatte, erkannte ich die mir genauer bekannte Geschichte wieder.